Journal Title
Title of Journal: Wirtsch Inform
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Abbravation: WIRTSCHAFTSINFORMATIK
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Publisher
SP Gabler Verlag
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Authors: Hans Ulrich Buhl Robert Winter
Publish Date: 2008/12/13
Volume: 51, Issue: 2, Pages: 157-160
Abstract
This article is also available in English via http//wwwspringerlinkcom and http//wwwbisejournalorg Buhl HU Winter R 2008 Full Virtualization – BISE’s Contribution to a Vision Bus Inf Syst Eng doi http//dxdoiorg/101007/s1259900800232Es gibt Innovationen deren lange Erfolgsgeschichte im Laufe der Zeit in den Hintergrund gerät und die erst Jahrzehnte später durch das Marketing einiger Unternehmen wieder aufgefrischt ins Rampenlicht treten Im Bereich der Informations und Kommunikationstechnik IKT erfährt zurzeit das Thema Virtualisierung diese Renaissance Schon bereits Ende der 1960erJahre wurde in der laut IBM wichtigsten Produktankündigung der Unternehmensgeschichte der Systemfamilie /360 erstmalig in einem Großrechner Virtualisierungstechnik serienreif zum Einsatz gebracht Auf einem einzelnen System konnten mehrere Benutzer gleichzeitig über unabhängig voneinander arbeitende virtuelle Maschinen verfügen und so den Bedarf an zusätzlicher und teurer Hardware reduzieren Dieser technische Fortschritt war nicht nur für IBM sondern auch für etliche andere Unternehmen ein wichtiger Grundstein für deren langjährige Erfolgsgeschichte So wie damals sind es auch heute die ökonomischen Faktoren die dem Thema Virtualisierung wieder viel Aufmerksamkeit zukommen lassen Getreu dem Motto „Back to the Roots“ initiiert die aktuelle Neuauflage bei der IKT eine Trendumkehr von vielen dezentralen wieder zurück zu zentralen und leistungsstarken Großsystemen um dadurch die Anschaffungs Betriebs und Wartungsaufwände zu reduzieren Dass man sich vor über vierzig Jahren mit Virtualisierung nicht nur auf infrastruktureller Ebene beschäftigte sondern es zumindest auch Visionen einer Anwendung gab die das Leben des Menschen verändern sollte zeigt Stanislav Lem in seinem 1964 erschienenen Hauptwerk „Summa technologiae“ Dort skizziert er eine „phantomatische Maschine“ die es daran angeschlossenen Menschen ermöglicht fiktive Situationen wie z B einen Ballonflug zu sehen und zu erleben Heute werden diese real gewordenen „Maschinen“ mit „Cyberspace“ „virtuelle Welt“ oder „Virtual Reality“ bezeichnet und als Simulationssysteme z B bei der Pilotenausbildung oder den MassiveMultiplayerOnlineGames wie z B Second Life mit Tausenden von Nutzern eingesetztTrotz der unverkennbaren Parallelen hat sich im Vergleich zur damaligen Ausgangsituation dennoch etwas geändert Virtualisierung wie sie heute umgesetzt wird und für morgen geplant ist hat die infrastrukturelle Ebene längst verlassen und ist weit in die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen unserer Gesellschaft eingedrungen Für die Wirtschaftsinformatik als Wissenschaft eröffnet sich dadurch eine Reihe von Themen mit klarem und spannendem Bezug auf Geschäftsmodelle Geschäftsprozesse und deren abgestimmtes Zusammenspiel mit Anwendungssystemen und Infrastruktur Darüber hinaus verändert Virtualisierung aber auch das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine und hat damit zunehmende Auswirkungen auf den Einzelnen und die soziale Gemeinschaft Wohin würde dieser Trend führen wenn wir ihn kontinuierlich vorantreiben und alle Möglichkeiten ausschöpfen Genau diese aus Sicht der Wirtschaftsinformatik interessanten Themen und Fragestellungen versuchen wir im Rahmen dieses Schwerpunkthefts näher zu beleuchtenLaut Duden hat „virtuell“ seinen ethymologischen Ursprung im lateinischen Wort für „Tugend“ „Kraft“ und „Vermögen“ und bedeutet „was nach Anlage oder Vermögen der Möglichkeit nach vorhanden ist“ „Virtuell“ entspricht der Eigenschaft einer nicht vorhandenen Entität in Form und Wirkung einer realen Entität gleichgestellt zu sein Virtualisierung ist in einer ersten Näherung somit die Abbildung vorhandener Strukturen oder die Erschaffung neuer Strukturen wobei Form und Wirkung i d R mit Hilfe von Informations und Kommunikationssystemen IKS erzeugt werden Für die Wirtschaftsinformatik bedeutet dies vor allem den ökonomisch sinnvollen Handlungsbedarf zu erkennen und die für die Transformation notwendigen Voraussetzungen zu schaffen Gemäß dem Ansatz „think big start small“ werden mit dem angestrebten Ziel vor Augen so Schritt für Schritt Lösungen entwickelt die wieder neu zu bewertende Möglichkeiten eröffnenDie Vision der Vollvirtualisierung die eine durchgängige Abbildung sämtlicher Strukturen unseres Lebens durch IKS anstrebt könnte ein mögliches Ziel einer konsequenten Weiterentwicklung sein Was wären die Implikationen dieser Vision auf Wirtschaft Gesellschaft und Individuen würde man sie als Grenzfall einer Vision „vollständig“ zu Ende denkenVermutlich würden zunächst im Bereich der Wirtschaft sämtliche am inner und außerbetrieblichen Leistungsprozess beteiligten Produkte und Dienstleistungen die aufgrund der Vollvirtualisierung keinen Nutzen mehr haben in eine Nische abgedrängt oder ganz „aussterben“ Strukturen und Einrichtungen deren Existenzberechtigung in der physischen Präsenz dieser Güter bestand müssten sich neu ausrichten und anderen Aufgaben widmen Ein prägnantes Beispiel dafür sind der Briefverkehr oder die betriebliche Hauspost die in großen Teilen durch das Medium EMail abgelöst wurden und im Zuge der Einführung rechtsgültiger elektronischer Unterschriften noch weiter an Bedeutung verlieren dürften Ähnliches gilt für Zeitungen und viele andere Printmedien mit allen – durchaus auch problematischen – FolgenAuf der anderen Seite würden Produkte zunächst virtuell entwickelt und auf ihr Marktpotenzial getestet werden bevor diese in die reale Produktion gehen Dieser Umbruch im Zusammenspiel zwischen virtuellen und physischen Gütern und Prozessen hätte Einfluss auf den gesamten Wertschöpfungsprozess Lieferanten und Abnehmer wären gemeinsam in einem virtuellen Entwicklungs und Produktionsprozess integriert und könnten so Kosten und Risiken reduzieren Die Abdeckung komplexer Anforderungen erfolgt durch neue Geschäfts und Preismodelle die durch Virtualisierung einen flexiblen und bedarfsorientierten Produkt und Leistungsbezug ermöglichen Dies gilt mehr und mehr auch in traditionell „physischen“ Branchen So zeigen z B in der Bauwirtschaft Beschaffungsmodelle wie „Löcher statt Bohrmaschinen“ oder „Druckluft statt Kompressoren“ dass anstelle physischer Maschinen deren Leistungen mit zugesicherter Qualität und Verfügbarkeit „on Demand“ angeboten und nachgefragt werden können Eine ähnliche Veränderung wird es für Dienst und Beratungsleistungen geben die aufgrund von Virtualisierung nicht mehr vor Ort stattfinden müssen und so überall und jederzeit durch den Kunden in Anspruch genommen werden können Meetings und Konferenzen die in virtuellen Räumen abgehalten werden bieten dem Veranstalter und Teilnehmern nicht nur maximale Flexibilität sondern vermeiden ebenfalls kosten zeit und umweltintensive Anfahrtswege Einige gesellschaftliche Einrichtungen wie Universitäten oder Behörden könnten so in bestimmten Bereichen durch IKT ersetzt werden die sich wiederum an wenigen zentralen Standorten aggregieren lässt Im anderen Fall bei dem das Realprodukt dem virtuellen folgt ließen sich mögliche Entwicklungs und Absatzrisiken bereits im Vorfeld identifizieren und überprüfen Die Komplexität dieser virtuellen Produkt und Leistungserstellung führt im B2BGeschäft allerdings auch zu neuen organisatorischen Vernetzungsstrukturen und zunehmenden Abhängigkeiten in der Wertschöpfungskette Die dadurch entstehenden Risiken lassen sich nur schwer abschätzen und können wie das Beispiel der Finanzkrise zeigt einen unkontrollierten Flächenbrand auslösen
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